Donnerstag, 4. Oktober 2007

Der Besuch auf einer "Farm auf welcher RE-Techniken angewendet werden"....

Heute sind wir zusammen mit allen Schülern des RE-Departments und drei
Lehrern zu einer Farm gefahren, um dort verschiedene Techniken der
Erneuerbaren Energien in der Praxis zu Gesicht zu bekommen. Wir stiegen
also in das einzige Auto der Schule. Stiegen ist dabei aber leider etwas
untertrieben, denn vielmehr zwängten, quetschen und drückten wir uns in
das Auto. Am Ende befanden sich 24! erwachsene Menschen innerhalb dieses
fahrenden Untersatzes und wir konnten die gut 20km lange Strecke auf uns
nehmen. Höchstwahrscheinlich um von den Schmerzen abzulenken, welche
durch die auf einem sitzenden Personen verursacht wurden, begannen die
Schüler an, Lieder zu singen, welche bei uns jeden morgen in der Andacht
gesungen wurden. Nach etwa einer halben Stunde aber einer gefühlten
Ewigkeit kamen wir dann endlich an unserem Ziel an. Nachdem wir uns alle
aus der Blechkiste befreien konnten und uns wieder aufgefaltet hatten,
kam auch schon ein Mann mittleren Alters, der uns über das Gelände
führen sollte.

Die Farm hatte verschiedene Bereiche. Ein Teil war der Züchtung und
Forschung vorbehalten, auf dem Rest des Geländes wurde auf großen
Feldern die Disteln Iringina xyz angebaut und ein einem großen Gebäude
werden die Blumen zugeschnitten, gekühlt und verpackt.

Die erste Überraschung für mich war, dass auf dieser Farm "in the middle
of nowhere" Blumen angebaut werden, um sie auf dem europäischen Markt zu
verkaufen. Ich persönlich hatte zuerst an eine agrikulturelle
Versuchsfarm gedacht. Aber nicht irgendwelche Blumen wachsen hier gen
Himmel sondern grün-blaue Disteln, welche auch in unserem Klima gut
gedeihen könnten. Unter Erneuerbarkeit bzw. Nachhaltigkeit verstehe ich
nicht wirklich, dass solche Blumen um den halben Globus reisen müssen,
bis sie in einem Gesteck in Omas Wohnzimmer Beachtung finden.

Eine weitere Enttäuschung war, dass hier auch die chemischen Keule
ziemlich ausgiebig geschwungen wird, wie ich unschwer an den
herumstehenden Insektizid/Fungizid/Herbizid/Düngemittel-Fässern erkennen
konnte. Auch konnte ich die Spritzgeräte sehen, jedoch keine
Schutzkleidung.... Und auch der Umgang mit dem Wasser in dieser doch
sehr trockenen Gegend machte mich stutzig: Das verwendete Wasser hatte
Trinkwasserqualität und wir einem nahen Bach entnommen, wie uns stolz
gezeigt wurde. In genau diesem Moment musste ich dann unser leicht
braunes Wasser denken, dass wir uns aus dem Brunnen pumpen müssen. Kam
da etwa ein bisschen Neid auf... ;-) ? Sehr sparsam ist es außerdem
nicht, wenn man in der prallen Mittagssonne, welche hier etwa 5mal
stärker ist als in Deutschland scheint, großflächig die Felder mit
Sprinklern bewässert, wie es hier geschieht. Auf meine Frage nach der
Notwendigkeit dafür kam die für mich eigentlich pervers anmutende
Antwort, dass die Pflanzen somit etwas grünere Blätter bekommen würden,
und das würde "der Markt" in Europa nun einmal verlangen. Ich hielt mich
zurück und platzte nicht damit heraus, dass es selbst dann deutlich
sinnvoller wäre, in der Kühle der Nacht diese Maßnahme zu ergreifen. Das
"Trinkwasser" für die Blumen kommt übrigens aus Bewässerungssschläuchen,
welche gut reguliert werden können. Die Menge an Gießwasser wird jeden
Tag über die Verdunstung des Vortages errechnet. Das erscheint mir
wiederum sehr klever und durchaus auch als ein geeignetes Mittel zum
Wassersparen.

Hier in Tansania sind Blumengeschenke oder Blumenschmuck gänzlich
unbekannt, man zeigt seine Zuneigung scheinbar vor allem mit Karten wie
wir sie in vielen Schreibwarenläden gesehen haben: Ziemlich kitschig
aufgemacht und mit dem Foto von zwei verliebten Menschen. Allerdings
sind die abgebildeten Paare alle weißhäutig. Wir konnten noch keine
Karte entdecken, auf der ein Dunkelhäutiger abgebildet ist. Ich
persönlich finde das eigenartig und in gewisser Weise auch ein bisschen
traurig.... Ein Schüler fragte also völlig unvermittelt, wofür in Europa
denn überhaupt so Blumen gut seien. Unser Guide klärte ihn dann auf und
sagte, dass man in Europa Blumen vor allem als Zeichen von Upendo
(Liebe) verschenken würde. Von Dekoration sprach er nicht. Etwas
verdutzt über dieses europäische Verhalten pflückten sich aber manche
Schüler gleich ein paar Blüten. Und prompt bekam Oliver von einer
Schülerin eine solche Distel geschenkt.....Wären wir doch nur auf einer
Rosenfarm gewesen...^^

Eine weitere Kuriosität ist, dass die Setzlinge für die Blumen extra mit
dem Flugzeug nach Tanzania kommen. Sie werden also irgendwo in Europa
aufgezogen, denn laut unseres Führers wäre dazu "High Technology"
notwendig, die es hier im Land nun einmal nicht gäbe. Irgendwie musste
ich dabei an Gentechnik denken, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass
diese nicht unbedingt sehr schönen Blumen das Resultat einer gezielten
gentechnischen Manipulation sein sollen.

Auf der Farm arbeiten insgesamt 120 Menschen, vor allem haben wir Frauen
auf den Feldern beim Blumenplücken gesehen. Die Arbeitsbedingungen sind
mir nicht negativ aufgefallen, sie konnten sogar während der Arbeit
fröhlich quatschen. Über die Entlohnung weiß ich leider nichts...

Krass empfand ich auch die Schilderung, dass ein einziges Insekt in
einer Packung mit Blumen dazu führt, dass die gesamte Fracht vernichtet
werden muss. Auf den Kosten bleibt dann natürlich der Blumenbauer
sitzen. Kontrollen für jede einzelne Verpackung wäre deutlich teurer als
der finazielle Verlust bei einer solchen Totalvernichtung. Und dann kann
es ja sein, dass im Flugzeug so ein Krabbeltier einfach von einem Karton
mit Was-Weiß-Ich in den Distelkarton gekrabbelt ist. Für mich riechen
die Maßnahmen gegen solche Möglichkeiten nochmals stark nach Chemie.
Rund 2 Wochen reisen die Blumen vom Erzeugen bis in den Laden. Ganz
schön interessant, was also so alles passiert, bevor man sich im
Blumenladen um die Ecke einen schönen Strauß binden lässt...

Am Ende des Geländes war ein großer See mit Fischen und sehr klarem
Wasser ohne Algen und Krokodilen. Von dort wird mithilfe einer
Windradpumpe 10m³ Wasser täglich in ein 3km entferntes Dorf gepumpt. Das
ist aber auch die einzige Anwendung einer Erneuerbaren Energie auf der
Farm gewesen. Ansonsten stehen auf dem Gelände viele laute
Dieselgeneratoren, denn hier ist kein Anschluss an das Stromnetz
möglich. Täglich werden hier also ein paar hundert Liter Diesel
verbrannt um den Betrieb am Laufen zu halten....

Ein paar Jahre zuvor wurden hier noch Kaffeesträucher abgeerntet, aber
da der Weltmarktpreis dafür stark in den Keller gegangen ist, wurde
"einfach" das Handelsgut ausgetauscht und aus Kaffebohnen wurden Disteln.

Als dann noch ein weißes Ehepaar mitsamt kleinem Kind im klimatisierten
Jeep vorbeigefahren kam und der Guide meine Frage, ob das die Chefs
dieser Anlage seien, bejahte, brachte damit meine Illusion zum Einsturz,
das ganze wäre seine eigene Farm...

Ich war also ziemlich enttäuscht darüber, was wir hier an technischem
zusehen bekommen haben. Da waren wohl meine Erwartungen etwas größer als
die Wirklichkeit es einrichten konnte.

Der krönende Abschluss war dann die Präsentation einer neuen
Distelsorte, die die Farm demnächst anbauen möchte und dann als
Trockenblume verkaufen will, da dann die aufwendige Kühlung weg fällt.
Die Blume stammt aus Südamerika und hat deshalb einen Tagesrythmus von
18 Stunden Sonnenlicht. Leider scheint hier am Äquator die Sonnen nur
etwa 12 Stunden pro Tag. Was macht also ein findiger Unternehmer? Er
hängt sich ganz einfach Neonleuchten als Sonnenersatz über die Felder.
Und auch diese werden natürlich über den Strom von Dieselgeneratoren
versorgt....

Die Bilder zeigen:
1:"Sitzordnung" im Jeep während der Hinfahrt, 2:Unsere Gruppe vor einem
Versuchsfeld, 3:und an einem Verpackungstisch, 4:An der
Gießwasserausleitung aus dem Bach, 5:Ich mit einer gerade geplückten
Wildfeige, 6:Die windbetriebene Wasserpumpe, 7:"Sitzordung" auf der
Rückfahrt, Blick durch die Heckscheibe, 8:Die im Text beschriebenen
Postkarten

Ich hoffe, diese Geschichte bleibt bis zu eurem nächsten Besuch im
Blumenladen in eurem Kopf. Dann könnt ihr ja mal gucken, ob ihr dort
eine solche grün/blaueDistel seht. Vielleicht stammt sie ja etwa 20km
entfernt von Mafinga.

Oder vielleicht gibt ja der eigene Garten noch ein paar Herbstastern
oder anderes her....;-)


Mit blumigen Grüßen,

Felix

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